Wird im Tierschutz viel verdient? Kritik an Verquickung von Vorstandsposten in Verein und Beruf
Vom 24.04.2007
WIESBADEN Bloße "Stänkerei" oder berechtigte Kritik? Im Tierschutzverein Wiesbaden keimt Unmut, dass Vorstandsmitglieder an ihrem Ehrenamt verdienen. Dabei wäre ein rigider Sparkurs dringend nötig.
Von
Christoph Cuntz
Mit einem Vermögen von sechs Millionen Euro ist der Tierschutzverein Wiesbaden und Umgebung einer der reichsten im Rhein-Main-Gebiet. Während andere jeden Cent zwei Mal umdrehen, bevor sie ihn ausgeben, heißt es hier: Klotzen statt Kleckern. Ein neues Tierheim wird am Spelzmühlweg gebaut, drei Millionen Euro kostet es. Und auch personell ist der Verein gut ausgestattet. Er leistet sich zweieinhalb Stellen für die Verwaltung. Und um die bis zu hundert Hunde und ebenso viele Katzen - die hier so lange einen Platz haben, bis sie an neue Besitzer vermittelt werden - sorgen sich acht Pfleger sowie vier Auszubildende.
Unbestritten, dass es den Tieren besser geht als in den Jahren zuvor, als das Image des Vereins wegen eines Machtkampfes einen Tiefpunkt erreicht hatte. "Enorme Verbesserungen" hat Karin Lerschmacher registriert, die im Verwaltungsausschuss sitzt. Dennoch ist sie mit der Arbeit des Vorstandes nicht zufrieden. "Mir gefällt die Verquickung von Ehrenamt und geldwerter Tätigkeit nicht", sagt sie. Und meint damit, dass Mitglieder des ehrenamtlichen Vorstandes ihren Lebensunterhalt oder einen Teil davon beim Verein verdienen.
So hat die Vorsitzende des Vereins, Nicole Mindrup, nach ihrer Wahl ihren Job bei einer Versicherung gekündigt und eine Stelle in der Verwaltung des Tierheims angetreten. Ihre Cousine ist Architektin und beim Bau des neuen Tierheims mit der Sicherheits-Koordination beauftragt.
Veterinär Clemens Tyrell, tierärztlicher Berater des Vereins und als solcher Mitglied des Vorstandes, verdiente 2006 über 20 000 Euro an der Behandlung von Tieren, die das Tierheim in seine Praxis schickte. Dabei hat der Verein eigens einen Tierarzt eingestellt. Dem hat der Vorstand jetzt genehmigt, in seiner Freizeit eine Praxis zu betreiben.
Er übernehme jene Behandlungen, die im Tierheim nicht gemacht werden könnten, sagt Tyrell. Seine Konditionen seien günstig. Im Vergleich zu der früher praktizierten Lösung sei er um die Hälfte billiger.
"Enorm viel eingespart" habe der Tierschutzverein durch Tierarzt Tyrell, sagt auch die Vereinsvorsitzende. Auch kann sie nichts Schlechtes darin sehen, dass der hauptamtliche Tierarzt des Vereins neuerdings nebenberuflich eine Praxis betreibt. Gänzlich unproblematisch sei ferner, dass sie, die als Vorsitzende ein waches Auge über die Geschäfte des Vereins haben muss, gleichzeitig dessen Verwaltungsangestellte ist. Sie sei dadurch ständig vor Ort. "Das bringt die Sache weiter". Den Bau des neuen Tierheims beispielsweise. Und dass hier ihre Cousine mit der Sicherheits-Koordination beauftragt ist? Die habe, sagt Mindrup, das mit Abstand günstigste Angebot abgegeben.
Verdienst durchs Ehrenamt? Nicht alle Vorstandsmitglieder halten das für gut. Die juristische Beraterin des Vereins, Nicole Koch, hat sich die ehrenamtliche Arbeit nie bezahlen lassen: Bis Ende letzten Jahres bekam sie aber Geld für Aufträge, die sie als Anwältin des Vereins übernommen hatte. Das hat sie jetzt geändert: "Ich sehe Risiken, wenn ich mein Ehrenamt und meinen Beruf als Rechtsanwältin verbinde. Man ist dann möglicherweise nicht mehr in der Lage, objektiv für den Verein zu entscheiden".
Die Betriebskosten des Vereins hatten nach Angaben von Mindrup im letzten Jahr eine Höhe von knapp 500 000 Euro erreicht. Stimmen die Angaben, hätte der Verein ein immenses Spar-Programm erfolgreich absolviert. Denn nach Angaben der juristische Beraterin Koch hatte der Verein noch 2005 Betriebskosten in Höhe von 1,6 Millionen Euro - inklusive Personalkosten von 420 000 Euro. Folge: Weil die Einnahmen nicht reichten, mussten 316 000 Euro aus den Rücklagen genommen werden.
Angesichts dieser Zahlen fürchten Kritiker, das Vereinsvermögen werde in wenigen Jahren aufgezehrt sein. Sie sei bemüht, die Kosten zu reduzieren, sagt Mindrup. So hat der Verein eine "Fund-Raiserin" eingestellt, sie soll Spender und Sponsoren gewinnen. Indes: Derzeit hat sie nicht einmal ihre Personalkosten erwirtschaftet. Allerdings ist die Vorsitzende überzeugt, dass sich die Stelle langfristig rechnet. Und dass es denen, die derzeit "stänkern", nur darum geht, etwas kaputt zu machen.