2000 Euro Behandlungskosten für verletzten Hund zugesprochen
Der heute fast 13 Jahre alte reinrassige Schäferhund »Killy« wurde bei einem Verkehrsunfall am 24. Oktober 2004 auf dem Hof seines Frauchens durch eine Autofahrerin schwer verletzt. Ein Rad überrollte den linken Hinterlauf. Ein Splitterbruch, der in einer Operation mit Metallplatten und Schrauben fixiert werden musste, und spätere Komplikationen durch eine Entzündung waren die Folge. Der Hund erholte sich zwischenzeitlich wieder einigermaßen.
Sein Frauchen wollte von der Pkw-Fahrerin die Behandlungskosten – mit Nebenkosten fast 10500 Euro – erstattet haben. Nun entschied Gerhard Bezzel als Einzelrichter der Zweiten Zivilkammer am Landgericht Traunstein: Die Autofahrerin und deren Versicherung müssen der Klägerin 2000 Euro plus Nebenkosten von gut 500 Euro, alles zusätzlich Zinsen, erstatten. Das Besondere an dem Urteil: Das Gericht ging nicht vom »Zeitwert« des Hundes und einer »Abschreibung« nach Lebensjahren – ähnlich wie bei einem Auto – aus. Gerhard Bezzel berief sich dabei auf den im Grundgesetz verankerten Tierschutz.
In der Urteilsbegründung schrieb der Richter am Landgericht: »Als Wert ist … nicht der vom Sachverständigen festgestellte Zeitwert anzusetzen.« Ein zehn Jahre alter Hund hätte demnach einen Zeitwert von »Null«. Mit Wirkung zum 1. August 2002 sei in Artikel 20 a des Grundgesetzes »ausdrücklich der Tierschutz als Staatsziel aufgenommen« worden. In den weiteren Ausführungen Bezzels zum Thema »Verhältnismäßigkeit« hieß es: »Für die Beurteilung des Werts ist nicht eine unter Züchtergesichtspunkten vorzunehmende 'Abschreibung' des Hundes nach fünf Jahren relevant. Denn dann wären sämtliche Heilbehandlungskosten bei einem älteren Tier, das bereits vollständig 'abgeschrieben' ist, unverhältnismäßig – so dass keinerlei Heilbehandlung durchzuführen wäre.
Dies ist nicht im Sinn des Staatsziels Tierschutz.« Eine »Abschreibung« nach fünf Lebensjahren entspreche auch nicht der Realität. Damit ging der Richter auf das »Affektionsinteresse der Halterin« ein. Das bedeutet: Ein Tier wie »Killy« wird heiß geliebt und wird im Alter für die Halterin nicht weniger wertvoll. Richter Bezzel griff die Angabe eines Sachverständigen auf, wonach der Beschaffungswert eines derartigen Hundes »ohne Abschreibung« zwischen 500 und 1000 Euro liegt. Das Gericht sei vom höheren Betrag ausgegangen, nachdem »Killy« zwar keine Schutz- und Wachhundausbildung absolviert habe, aber tatsächlich auf dem Hof der Klägerin solche Funktionen ausfüllte.
»Dem Grunde nach« gab der Richter der Klägerin zu 100 Prozent Recht: »Das Gericht ist überzeugt, dass die Beklagte mit ihrem Kraftfahrzeug den Unterschenkel des liegenden Hundes überfahren hat und dass der Hund keineswegs ins Auto gelaufen ist.« Die Autofahrerin hatte in dem zweijährigen Zivilprozess mit Anwalt Dr. Leo Seufert aus Traunstein zur Seite ausgesagt, sie habe den Hund nicht gesehen, sei auch nicht »zu zügig« unterwegs gewesen. Eine Mithaftung der Tierhalterin schloss Gerhard Bezzel aus.
Es bestehe keine Pflicht, einen Hofhund anzuleinen – allenfalls zum Schutz Dritter, was hier ausscheide. Außerdem habe sich »Killy« unter dem Gesichtspunkt der »Tiergefahr« nicht unberechenbar verhalten. Die Beklagte müsse sich vorhalten lassen, mit ihrem schweren Fahrzeug zu unaufmerksam gefahren zu sein – denn ansonsten hätte sie entweder vor dem »Hindernis«, das »Killy« bildete, bremsen oder es umfahren können. Auf dem besagten Hof müsse im Übrigen jeder Kraftfahrer mit Tieren rechnen.
Die Tierarztkosten waren laut Gerhard Bezzel ordnungsgemäß abgerechnet, die lange und aufwändige Behandlung erforderlich. Wie ein tiermedizinischer Gutachter ausgeführt habe, sei ein Therapieabbruch mit Einschläferung des damals zehn Jahre alten Hundes nicht angezeigt gewesen. Das Fazit des Richters: »Die Behandlung und die Kosten waren erforderlich und geboten.«
Dennoch sprach die Zweite Zivilkammer der Klägerin anstelle der geforderten knapp 10000 Euro für die gesamte Behandlung nur 2000 Euro zu – was dem doppelten Wert des Tieres entspricht. Alles, was die 2000 Euro übersteige, sei »unverhältnismäßig« und deshalb von der Beklagten nicht zu ersetzen, hob der Richter heraus. Auf Nachfrage unserer Zeitung betonte Gerhard Bezzel, der absolute Betrag von 2000 Euro bewege sich im Rahmen der bisherigen Rechtsprechung in der Bundesrepublik. Ob die Klägerin und ihr Anwalt, Holger Christ aus Rosenheim, das Urteil anfechten werden, war bei Redaktionsschluss noch nicht bekannt. kd