„Tapsi“ beobachtet gern Rehe. Aber um ausgewilderte Luchse macht die elfjährige Rottweiler-Hündin aus Bad Harzburg seit vergangenen Freitag lieber einen großen Bogen.
Denn als sie mit ihrem Herrchen Wolfgang Diederichs gegen 15.45 Uhr auf einem Wanderweg – etwa 150 Meter von der Stadtgrenze entfernt – spazieren ging, hatte sie eine schmerzhafte Begegnung mit einem Luchs.
Hundehalter Diederichs schilderte das Ganze gestern so: „Ich ging voraus, plötzlich hörte ich, wie der Hund hinter mir laut aufjaulte.“ Ein Luchs hatte dem Rottweiler mit der Pfote einen Schlag versetzt. Zurück blieb eine zwei Zentimeter lange Risswunde am Ohr. „Als ich laut rief, guckten beide Tiere mich groß an, dann lief der Luchs den Hang hinunter“, berichtete der Frührentner weiter. Später habe er an der Stelle Reste eines gerissenen Rehs gefunden.
Dies erklärt nach Ansicht von Ole Anders auch das aggressive Verhalten der rund 70 Zentimeter großen Raubkatze. Sie habe vermutlich ihre Beute gegen einen Konkurrenten verteidigen wollen, sagte der Beauftragte für das Luchsprojekt im Nationalpark Harz. Zudem habe das weibliche Tier zwei Junge gehabt, die es wohl ebenfalls schützen wollte.
Seit sieben Jahren werden Luchse, die in Deutschland ausgestorben sind, im Harz wieder an die Freiheit gewöhnt. Nach Anders’ Angaben gibt es zwischen 20 und 30 Luchse im Harz. 24 Tiere waren vor Jahren ausgewildert worden, 26 wurden nachweislich in freier Wildbahn geboren. Allerdings seien mittlerweile auch viele Luchse gestorben.
Der Zwischenfall mit „Tapsi“ sei nicht die erste Luchsattacke auf Hunde gewesen, berichtete Anders. Wohl aber die erste, die öffentlich wurde. Auch in Altenau und Bad Sachsa hätten die Wildkatzen im vergangenen Jahr Jagdhunde „geohrfeigt“, in St. Andreasberg sei ein Hund bei einem nächtlichen Spaziergang allein im Wald von einem Tier so schwer verletzt worden, dass er später verblutete. „Es ist allerdings unklar, ob der Angreifer wirklich ein Luchs oder ein Marder war“, sagte Anders.
Klar ist allerdings, dass Luchse Raubkatzen sind, die pro Woche ein Reh vertilgen. Manchmal reißen sie auch Schafe, Ziegen oder Damwild. Das Land zahlt den Besitzern dann eine Entschädigung. Auch bei „Tapsi“ würden selbstverständlich die Tierarztkosten übernommen. Der Luchsbeauftragte warnte vor Panikmache. „Hunde werden viel häufiger von Wildschweinen angegriffen als von Luchsen.“